Nachtschicht für den Landtag: Darum müssen Sachsens Abgeordnete länger ausharren

Das sächsische Parlament hat in den nächsten Tagen viele Punkte abzuarbeiten. Das liegt an der bevorstehenden Landtagswahl. Aber auch am Miteinander in der Koalition.

Den sächsischen Abgeordneten graust es vor den nächsten Tagen: Der Landtag kommt ab Mittwoch wieder zusammen – und die Tagesordnung ist lang. Sehr lang. Atemberaubend lang. Unfassbar lang. So lang, dass der Sitzungstag bereits um 9 Uhr beginnt und geplant bis Donnerstagfrüh um 2 Uhr dauert. Dann sollen die Politiker Schlaf finden, bevor sie um 9 Uhr wieder auf ihrem Platz im Plenum sitzen. Zur Not, darauf haben sich die Fraktionen geeinigt, wird am Freitag ein weiterer Sitzungstag drangehängt.

Das Mammutprogramm hat einen schlichten Grund: Die Parlamentarier haben eine ganze Reihe von Gesetzen abzuarbeiten, bevor die Sommerpause und damit der Landtagswahlkampf anbricht.

Knapp 20 Vorhaben aus der Koalition

Da ist beispielsweise die Überarbeitung des Nachrichtendienstrechts, das die Regeln für den Verfassungsschutz modernisieren soll. Oder das neue Versammlungsrecht in Sachsen, das die Vorgaben für Kundgebungen und Spontandemonstrationen praxisnaher ausgestalten möchte. Auch die Änderung des Sächsischen Naturschutzgesetzes, das dann Kommunen wieder ein Vorkaufsrecht für Forstflächen einräumt, soll den Landtag nun passieren. Insgesamt stehen 18 Gesetze der Regierung und der Koalitionsfraktionen in den nächsten Tagen zur finalen Abstimmung.

Zum Teil hat sich die schwarz-grün-rote Mehrheit Zeit gelassen, um möglichst gute Ergebnisse zu erzielen. Darauf weist die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Sabine Friedel, hin: „Wir haben bei einer Reihe von Gesetzesentwürfen eine umfassende Anhörung gehabt und haben einfach lange miteinander gesprochen, welche Punkte aus der Anhörung können wir noch mit hineinbringen.“

Koalitionsstreit verlängert Verhandlungen

Viele der ausstehenden Gesetze hätten CDU, Grüne und SPD dennoch bereits in den vergangenen Jahren umsetzen können. Die bestehende Koalition ist aber durch ihre Streitkultur aufgefallen. Das bezieht sich nicht auf alle Bereiche: Die Bildungspolitiker arbeiten geräuschlos und effizient miteinander – und werden gerne angeführt, falls jemand aus dem schwarz-grün-roten Lager das ach so gute Miteinander herausstellen möchte.

In anderen Politikfeldern sind sich die Fachexperten allerdings in herzlicher Abneigung verbunden. Das erschwerte die Abstimmung, ließ die Koalitionäre etliche Verhandlungsrunden zusätzlich drehen und führt nun zum Zeitdruck. Wenn denn überhaupt etwas beschlossen wird: Die CDU hat zuletzt die Verhandlungen über das Agrarstrukturgesetz einseitig beendet. Das Vergabegesetz, ein Herzensprojekt der SPD, verhinderte die Union ebenso wie die Verfassungsreform.

Grüne zeigt sich selbstkritisch

Der grünen Fraktionsvorsitzenden Franziska Schubert gefällt es jedenfalls nicht, dass der Landtag nun so lange ausharren muss: „Ich finde es grundsätzlich schwierig, bis nachts um 2 Uhr zu tagen.“ Für sie spricht das alles nicht für die Koalition. „Viele dieser Gesetze, die wir jetzt durch den Landtag bringen, da hätte man sich eher einigen können.“ Sie hoffe, dass alle Beteiligten daraus lernten. Man hätte nicht „zwei oder drei Jahre rumeiern müssen“, wenn ein Partner ein Projekt generell ablehnte. „Da hätten wir uns alle Zeit gespart.“

Bei der AfD-Fraktion hat man sowieso kaum Verständnis dafür. Sie selbst stellt in den nächsten Tagen zwei eigene Gesetzesentwürfe zur Diskussion. Von der anderen Oppositionsfraktion, der Linken, kommen sechs weitere. Gegenüber der Flut an schwarz-grün-roten Gesetzen nimmt sich das aber verhältnismäßig wenig aus.

AfD-Fraktionschef Urban: Show vor der Landtagswahl

Es sei „ein bisschen merkwürdig“, dass diese „Gesetzesmasse“ im letzten Plenum behandelt werde, sagt Fraktionschef Jörg Urban. Er nennt das Agieren eine „Show vor der Landtagswahl“.

Eine prominente Gelegenheit, mit Schwarz-Grün-Rot auch deswegen ins Gericht zu gehen, wird die Opposition am Mittwoch erhalten. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will dann Bilanz seiner zweiten Amtszeit ziehen und nach vorn blicken: Seine Regierungserklärung mit dem Titel „Vorangehen. Für ein starkes und stabiles Sachsen“ ist gleich der erste Tagungsordnungspunkt.

Allein die CDU wirkt zufrieden

Der Vorsitzende der Linken im Landtag, Rico Gebhardt, weiß jedenfalls, was er in den zurückliegenden Jahren vermisst hat: „Die Beteiligung des Parlamentes hat sich nicht wirklich verbessert.“

Nur die CDU wirkt vergleichsweise zufrieden. Dem Parlamentarischen Geschäftsführer, Sören Voigt, fällt kein Gesetz ein, dass seine Parteifreunde und er noch gerne umgesetzt gesehen hätten. Die anberaumte Nachtsitzung versteht er darum als Beweis für die Arbeitsfähigkeit der Koalition: „Wir haben noch mal tüchtig verhandelt.“ Den Medienvertretern macht er ein Angebot, falls sie wie die Abgeordneten bis zum Schluss durchhalten: „Der letzte Journalist auf der Tribüne wird von uns zum Espresso eingeladen.“